Fockeberg Trackbike Everesting

Der größte Anstieg den Bahnräder im üblichen Gebrauch erleben, dürfte der zwischen Cote d'Azur und Bande oder zwischen Tunnel und Fahrerlager sein. 8848 Höhenmeter an einem Schuttberg zurück zu legen gehört üblicherweise nicht dazu. Nachdem nun ein ganzes Jahr vergangen ist und ich genügend Zeit hatte meine Wunden zu lecken, habe ich endlich den Bericht über das Fockeberg Everesting fertig.
Wem der Begriff "Everesting" nichts sagt: das bedeutet einen Berg, Hügel oder in diesem Fall: Geröllhaufen, so oft an einem Stück hoch und runter zu fahren, bis mindestens soviele Höhenmeter zurückgelegt wurden wie der Mt. Everest hoch ist (8848m). Am unglaubliche 40hm hohen Aufstieg auf den Fockeberg waren das also ca. 222 wiederholungen mit ca. 355km Gesamtstrecke.
Und weil das nicht genug wäre, ich gerne fixed fahre, kaum Erfahrung mit Rennrädern und echten Bergen habe und das X in FMGX immer noch für Xtraordinär steht (oder so ähnlich), wollte ich das ganze mit einem Bahnrad machen und, wenn am Ende genug Energie übrig wäre, weiterfahren bis ich 10k hm gesammelt hätte um in den Mile High ähh... die High Rouleur’s Society zu kommen.
Vorher 6450g
Letzteres hat dann leider nicht mehr geklappt aber dazu komme ich später.

Die Vorbereitungen (vor allem ein 22er Miche Ritzel aufzutreiben) dauerten leider deutlich länger als gehoft. Das Rad der Wahl (mein Dolan Seta) hatte im Laufe der Wochen ca.500g Gewicht verloren, aber da ich leider keinen vernünftigen Rennradbremshebel auftreiben konnte und mir nicht extra ein Set kaufen wollte, bekam es statt desen den linken Shimano 105 5700 STI von meinem Rennrad und wog somit am Ende 50g mehr als vor dem Abspeckprogram...

Nachdem ich durch den Everesting Calculator und einige Proberunden eine ungefähre Vorstellung davon hatte, wie viel Zeit ich an dem Schuttberg verbringen werde, ging es ans Packen:
https://photos.app.goo.gl/QiuZdN24XNMcj5B991 x Softcake Banane (#beste)
2 x Erdnüsse
2 x 1,5l Wasser mit Kohlensäure
1 x 1,5l Cola
1 x 1,5l Zitronenbrause
1 x 750g Nougatbits
1 x 1l Milch
1 x Löffel
1 x Schüssel
1 x Haribo Tropi Fruti
6 x belegte Brötchen mit Käse
1 x ca. 6kg selbstgemachter Kartoffelsalat
FMGX Banner, Ipod&Kopfhörer, Powerbank&Ladekabel, B&M Ixion IQ Speed Premium, Multitool, GoPro, meine Nikon D7000, ein Fahrradschloß, Isoband, Kabelbinder, Garmin 520, ein (geliehenes) langärmliges Trikot, meine Arys Jacke und bestimmt noch einiges mehr was mir in der Zwischenzeit entfallen ist.
Als alles ins Lastenrad von Coco gepackt war welches ich mir für diesen Tag geliehen hatte ging es am 21.05.2018 endlich auf den Weg zum "Berg".
Everesting Gewicht 6500g

https://photos.app.goo.gl/QiuZdN24XNMcj5B99Die Idee war, die letzte Stunde Sonnenlicht ab ca. 20Uhr zum aufwärmen und eingewöhnen zu nutzen, mit voller Energie die Ruhe der Nacht zu genießen und bis zum Frühstück gegen 8 Uhr ungefähr  60-70% der 8848 hm zurückgelegt zu haben.

Um 18.44 Uhr machte ich mich mit Victorias Hilfe und dem vollgepackten Lastenrad auf den Weg zum Fockeberg. Nachdem das Basis-LaRa auf dem Gipfel aufgebaut war ging es fast eine Stunde früher als geplant los, so dass ich um 20 Uhr bereits 13/230 Runden hinter mir hatte. Ich hatte das Everesting mit 230 Runden anstatt der 222 Runden geplant weil die exakte Höhe irgendwo zwischen 39 und 40 hm liegt und ich zur sicherheit mit 39 hm kalkuliert habe. Die ersten Freunde und Zuschauer gesellten sich dann gegen 20 Uhr für einige Zeit dazu und so begleiteten mich Phil und Jan drei Runden lang bevor um 21.04 Uhr  die Sonne unterging. Der Park/Berg leerte sich (bevor er sich einige Stunden später wieder mit Kaninchen und Füchsen füllte) und so hatte ich die Szenerie für die nächsten Stunden beinahe für mich. Nachts Rad fahren ist sowieso eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Vor allem wenn ich ein gutes Hörbuch dabei habe. Allerdings musste ich in den Abfahrten ziemlich vorsichtig sein, da ständig irgendein Tier im Gebüsch neben dem Asphaltierten Weg raschelte.
Um das Studium nicht komplett zu vernachlässigen (*hust) oder eher weil mir der erste Teil so gut gefallen hat, hatte ich mir Richard David Prechts "Erkenne dich selbst: Eine Geschichte der Philosophie Bd.2"  ausgesucht um mich bei meinem Everesting versuch zu unterhalten. Allerdings gefiel mir der Sprecher des ersten Bandes deutlich besser... Nach 70 Runden um 01 Uhr machte ich meine erste längere Pause, aß ein paar Brötchen und Kartoffelsalat und öffnete die Cola. Nach 90 Runden um 03.10 Uhr wurde es langsam kalt und feucht und ich hatte wirklich Lust mich irgendwo in ein bequemes Bett zu legen und dumme Ideen einfach dumme Ideen sein zu lassen anstatt sie in die Tat um zu setzen.
 

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Spuren im Blütenstaub
Zum Glück kam dann aber ziemlich schnell die Dämmerung und gegen 04 Uhr erschienen die ersten roten Streifen hinter dem Uniriesen und gaben neue Motivation. Bald ist ja Frühstück. Die Zeit zwischen ca. 04.30 Uhr bis 07.30 Uhr war wahrscheinlich die Produktivste des ganzen Everestings. Keine Menschen, keine Tiere, viel Energie und wunderschönes Morgenlicht. Um 5.36 Uhr hatte ich bereits 115/230 Runden und damit 50% geschafft. Allerdings stellte sich heraus, dass es durch die vielen Wendepunkte ein kleines Problem gab: Die Barometrische Höhenmessung im Garmin war viel zu langsam! Wenn ich an den Wendepunkten nicht jedes mal 10-15sec anhalten wollte, passte sich das Gerät nicht schnell genug an und unterschlug damit jedes mal ein paar hm.
Mist. Das war wohl auch der Grund, weswegen ich bei meinen Testrunden auf keinen genauen Wert kam. Naja, zu spät um irgendwelche technischen Veränderungen vorzunehmen und darauf vertrauen, dass der Eintrag von den Hells500 genau geprüft und akzeptiert würde. Aber erstmal ankommen. Weitere 115 Runden. Um 07 Uhr besuchte mich Hafti auf seinem Weg zur Arbeit. Ab 08 Uhr startete der Fußgänger&Hunde Slalom. Noch 80 Runden. Um 09 Uhr kam Victoria mit dem Frühstück vorbei.

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Frühstück
Scheinbar wurde zwischen Frühstück und Mittag allerdings wenig gefahren und viel gegessen und gequatscht da ich von 08.10 Uhr bis 11.30 Uhr nur knapp 26 Runden gefahren bin wie aus meinen GPS Daten hervorgeht. Allerdings waren die insgesamt 29 Runden (1160hm) mit Willem die schnellsten des Tages und die Zeit verging wie im Flug. Am frühen Nachmittag ging dann der Fußgänger und Hunde Slalom wieder los und vermutlich wurde einer der von den Hunden aus dem Gebüsch gezerrten Stöcker wenig später zu einer schmerzhaften Erfahrung. 

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Dreißig Minuten nachdem Willem den Fockeberg verlassen hatte, in der 196ten Runde stürzte ich auf der Abfahrt kurz vor meinem Wendepunkt. Ich bin mir nicht ganz sicher woran es lag aber beim Abbremsen blockierte plötzlich mein Vorderrad und ich flog durch die Luft, sah mein Rad einen Salto machen, fragte mich ob das Carbon den Aufprall aushalten würde, landete auf Armen und Brustkorb und rollte mich ins Gebüsch ab. Scheiße. Aua. Was war das? Keine Ahnung. Kann ich mich bewegen? Easy. Ist das Rad in Ordnung? Ja. Glück gehabt, weiter fahren. Zwanzig Minuten Pause nach der nächsten Auffahrt um die Wunden auszuspülen, feststellen, dass eine Strebe am Sattel gebrochen ist, überlegen wie es jetzt weiter geht, kurz abwägen abzubrechen, egal, im stehen bzw. nur mit einer Arschbacke sitzend weiter machen bis jemand kommt von dem ich mir den Sattel leihen kann. Mein Pulsgurt hatte sich leider auch verabschiedet aber ansonsten ging es mir momentan noch ganz okay. Das größte Problem schienen die Schürfwunden an den Händen zu sein (abgesehen vom Sattel) die es schwierig machten eine Griffposition zu finden, die nicht komplett unbequem ist.

Die nächste Stunde verlief sehr Langsam und Anstrengend. Vor allem auf den Abfahrten die nun statt ausgeklickt rollend, im Stehen bzw. gaaanz vorsichtig auf dem Sattel sitzend gefahren werden mussten. Zum Glück kam dann Vincent nochmal vorbei und lieh mir seinen Sattel für die restlichen 23 Runden. Die letzte Stunde war ein einziges Spektakel. Ich weiß nicht mehr wer alles da war um mich anzufeuern aber die Stimmung würde ich mal spontan mit "Alp d'Huezesque" bezeichnen.
Willem startete einen Livestream und rutschte auf seinem Hintern die steilen Dreckhügel runter und hoch um ein Bild zu bekommen, Vincent fuhr ohne Sattel ein paar runden mit und Anton organisierte irgendwoher noch eine Flasche Sekt. In dem Moment als die 230 Runden geschafft waren ging es mir erstaunlich gut. Ich denke, für die zu 10000hm fehlenden 20 Runden hätte ich noch genug Energie gehabt und wenn ich nicht gestürzt wäre hätte ich auch noch weiter gemacht. Hätte, hätte, 1/8 Bahnradkette. Gegen 17.15 Uhr war ich fertig. Nachdem ich mich kurz habe feiern lassen, den Sekt geöffnet (allerdings wegen der offenen Wunden kaum getrunken), Gumibärchen gegessen, den restlichen Kartoffelsalat an die anwesenden verschenkt und den geliehenen Sattel zurück gegeben, fing langsam alles an weh zu tun.

Der Rückweg nachhause war die härteste Radfahrt ever. Alles tat weh, im Stehen fahren müssen weil kein Sattel, Atmen war schwierig, Lenker festhalten erst recht und dazu die qualität der Leipziger Straßen. Extra einen kleinen Umweg fahren um nicht über die damals noch sehr holprig gepflasterte Riebeckbrücke zu müssen. Zuhause angekommen fiel ich ins frische, weiß bezogene Bett und hatte nicht mal genug Energie um die Tür zu öffnen, als meine Nachbarin mit Pflastern, Desinfektionsmittel und Verbandszeug vorbei kam. Irgendwann hab ich es dann doch noch geschaft zumindest einige Wunden zu desinfizieren (mit Alkohol, der laut Aufdruck auf der Flasche nicht auf offene Wunden gegeben werden darf...) Danach galt: never sleep, always pass out.

Am 24.05.2018, nur zwei Tage nach dem Everesting, folgte dann schließlich die Eintragung in die

Nächstes mal suche ich mir einen Hügel mit weniger Fußgängern & Hunden und besserem Straßenbelag raus. Ansonsten ist Everesting auf einem Trackbike ganz geil. Wenn ihr gute Empfehlungen habt: immer her damit!